Etwa 20 Organisationen und weitere ForscherInnen werden zusammen ein Kompendium schreiben mit dem Aufruf “Auf der Erde wollen wir leben”. Das Anliegen ist es, Beiträge zu einer nachhaltigen Entwicklung sichtbar zu machen. Beiträge, die gesehen werden können als <Sustainable Natives>, von Organisationen wie Weleda, die bereits in Richtung einer nachhaltigen Entwicklung arbeiteten bevor diese in der breiteren Wirtschaft aktuell wurde. Was treibt diese Organisationen an? Und wie wirkt das anthroposophisch inspirierte Welt- und Menschenbild im Hintergrund mit? Die Hauptautorinnen und -autoren dieser Forschung werden anschliessend versuchen, eine erweiterte Definition von nachhaltiger Entwicklung zu präsentieren.
Hintergründe
Die sozio-ökologische Krise prägt die globale Gesellschaft und die Beziehung zwischen Erde und Mensch. Sie stellt eine akute Existenzgefährdung für uns alle dar. Das Zeitgeschehen erscheint sich immer mehr in dramatische Ereignisse zu kulminieren; die Erde zerbricht und die Menschenwürde wird weitgehend verletzt. Das Bewusstsein, dass uns dieser Zustand bevorsteht, ist bereits seit mehreren Jahrhunderten vorhanden (von Humboldt, 1801), steht als Thema seit 50 Jahren auf der politischen und wissenschaftlichen Agenda (z.B. Carson, 1962. Meadows et al, 1972. Brundtlandt, 1987. Steffen et al. 2015), ist dennoch aber erst in den letzten Jahren in der breiten öffentlichen Debatte in den Fokus gerückt (z.B. António Guterres, COP25, 2019). Die Reflexion dieser sozio-ökologischen Krise zieht sich heute durch alle Dimensionen, Bereiche und damit Fach- und Forschungsdisziplinen; die Frage ist übergreifend, transdisziplinär und universell. Die Analyse der Zeitlage ist bereits sehr oft gemacht worden und lange schon anwesend. Wie kommen wir aber zu nächsten Schritten? Wo wird Zukunftsfähigkeit bereits gelebt und praktiziert?
Beiträge aus der Anthroposophie
Aus der Anthroposophie gab es in den letzten 100 Jahren einerseits geisteswissenschaftliche (z.B. Steiner, Wachsmuth, Pfeiffer, Wegman u.a.), andererseits praktische Beiträge zu dieser Frage. Trotz des wegbereitenden Einflusses und Charakters dieser Beiträge (z.B. die biologisch-dynamische Landwirtschaft von 1924, die zur Avantgarde der sozial-ökologischen Landwirtschaft gehört) sind sie von der breiten Öffentlichkeit und Gesellschaft als abwegig betrachtet worden und in ihrer Wichtigkeit für die Umweltbewegung weitgehend unbemerkt geblieben (McKanan, 2017).
Als Reaktion auf unsere Zeitlage aber werden zunehmend Forderungen nach einem differenzierteren Verständnis und Handeln anstelle eines reduktionistischen Verständnisses und ausschließlich technischer Maßnahmen lauter. So veröffentlichte der <Club of Rome> (bekannt durch die berühmte Publikation "Limits to Growth" von 1972) anlässlich seines 50-jährigen Bestehens im Jahr 2018 den Bericht "Come on! Capitalism, Short-Termism, Population and the Destruction of the Planet: Report to the Club of Rome". Diese Publikation beschreibt einerseits die materielle Notlage, in der sich die Erde und damit die Menschen befinden, indem letztere Ökosysteme zerstören und exponentiell unsere natürlichen Ressourcen verbrauchen, ohne dabei natürliche Stoffkreisläufe in Gang zu setzen. Außerdem wird die These aufgestellt, dass die Sozio-ökologische Krise eine philosophische und spirituelle Dimension hat, die, wenn sie nicht angegangen und vertieft wird, eine ”systemische” Lösung unmöglich macht (Wijkman und Weizsäcker, 2018). Auch langjährige Umweltaktivisten wie Paul Kingsnorth kommen unerwartet zu einer ähnlichen These (Kingsnorth, 2018). Diese These sollte als Appell an diejenigen Personen und Institutionen verstanden werden, die in den Dimensionen der Philosophie und Geisteswissenschaft arbeiten, zugleich aber auch an diejenigen, die bis tief ins Wirtschaftsleben hinein aktiv sind. Viele können sich also angesprochen fühlen.
Nachhaltige Entwicklung — verbreiten und vertiefen
Die existierenden Definitionen von einer nachhaltigen Entwicklung begrenzen sich oft auf das Befriedigen der Grundbedürfnisse von heutigen und zukünftigen Generationen in Anbetracht der drei Dimensionen von Ökologie und Umwelt, dem sozial-gesellschaftlichen Leben und der wirtschaftlichen Dimension (Brundtland, 1987). Im Wesentlichen spricht eine nachhaltige “Entwicklung” aber etwas zutiefst Menschliches in einer vierten Dimension des Kulturellen an: „Die Idee der nachhaltigen Entwicklung ist im Wesentlichen ein kulturelles Projekt. Nachhaltige Entwicklung beschreibt einen weiteren Schritt in der Entwicklung der menschlichen Zivilisation hin zu einer Welt, in der die Würde und die Entwicklungschancen der Menschen überall der Kompass für das soziale, politische und wirtschaftliche Handeln heute und in der Zukunft sind.” (Schneidewind, 2018). Diese vierte Dimension wird in dieser Forschung betrachtet und ergänzt durch eine weitere, fünfte Dimension, mit der das anthroposophische Welt- und Menschenbild ins Gespräch kommt und den Entwicklungsbegriff zentral stellt.
Ziel des Kompendiums
Ziel des angestrebten Kompendiums ist es also, einerseits konkrete Praxisbeiträge zur nachhaltigen Entwicklung durch Firmen und Organisationen sichtbar zu machen, (Sustainable Natives und Best Practices) die hinführen zu einer resilienten und zukunftsfähigen Umgangsweise mit Erde und Mensch. Anderseits wird geschaut, wie das anthroposophische Welt- und Menschenbild bestimmte Werte, Kriterien und eine Grundlage für diese praktischen Beiträge bietet. Als dritter Schritt wird versucht, ein erweitertes Verständnis von einer nachhaltigen Entwicklung zu konzipieren.
Ausblick
Im März 2025 wird die Forschung abgeschlossen und die Publikation digital und in Print erscheinen. Die meisten Organisationen sind bereits eingestiegen; falls Sie Interesse haben als Fallbeispiel, Best Practice oder Sustainable Native mitzuwirken, können Sie uns gerne kontaktieren.
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